Südpfalz 16. Oct 2025

Interview mit Iklima Oral – Chemical Process Managerin und Deputy Director Forschung & Entwicklung

Schön, dass du dir Zeit genommen hast! Du arbeitest an einem der spannendsten Zukunftsthemen: Die Gewinnung des Leichtmetalls Lithium aus Geothermalsole. Dieses wird zur Herstellung von Autobatterien benötigt. Wie erklärst du deinen Job jemandem, der keine Ahnung davon hat?

Iklima Oral: Das ist eine spannende Frage – und zum Glück habe ich viele Freunde, die nichts mit Chemie zu tun haben. Deshalb habe ich schon etwas Übung darin, mein Arbeitsfeld verständlich zu erklären. Ich verwende gern ein einfaches Bild: Stell dir ein Holzbrett vor, auf dem verschieden große Murmeln liegen – wie bei einem Kinderspiel. In dem Brett sind Vertiefungen, die so geformt sind, dass nur die kleinen Murmeln hineinpassen. Wenn du das Brett bewegst, fallen nur die kleinen Kugeln in die Löcher, die größeren rollen einfach daran vorbei. Und genau so funktioniert auch unsere Lithiumextraktion: Im dem von uns eingesetzten Direkte-Lithium Extraktion-(DLE)Verfahren verwenden wir ein spezielles Material, das exakt auf die Größe und Form von Lithiumionen abgestimmt ist. Diese Ionen passen in die Struktur des Materials und werden aufgenommen, während alle anderen, größeren Ionen einfach durchfließen, ohne gebunden zu werden.

 

Was hat dich ursprünglich in diesen Bereich geführt – war es Zufall, Interesse an Chemie, oder vielleicht ein größeres Ziel?

Iklima Oral: Ich habe Chemie in Hamburg studiert, zunächst mit dem Schwerpunkt Lebensmittelchemie. Aber ziemlich schnell habe ich gemerkt: Das ist mir zu analytisch. Ich wollte nicht nur analysieren, was schon da ist, sondern selbst etwas entwickeln und praktisch umsetzen. Deshalb habe ich im vierten Semester zur allgemeinen Chemie gewechselt, die viel breiter aufgestellt ist. Später habe ich mich dann auf Polymer- bzw. Kunststoffchemie spezialisiert. Das Thema Lithium ist mir während des Studiums zum ersten Mal begegnet – in einer Vorlesung ging es darum, wie wichtig dieser Rohstoff für die Energiewende ist. Das hat bei mir direkt Interesse geweckt. Und weil mich das Thema nicht mehr losgelassen hat, habe ich auch meine Doktorarbeit darauf aufgebaut. Von 2018 bis 2022 habe ich intensiv zur Lithiumextraktion geforscht. In der Zeit habe ich mich natürlich auch umgeschaut: Wo wird in Europa an Lithium gearbeitet, was tut sich in dem Bereich? So bin ich auf Vulcan gestoßen. Das Unternehmen war damals noch ganz am Anfang – aber das Thema war genau das, woran ich wissenschaftlich seit Jahren gearbeitet hatte.

 

Welche spezifischen Anforderungen hinsichtlich Reinheit, Zusammensetzung und physikalischer Eigenschaften muss Lithiumhydroxid Monohydrat erfüllen, bevor es für den Einsatz in der Batteriefertigung in der Automobilindustrie freigegeben werden kann.

Iklima Oral: Für den Einsatz in der Batteriefertigung – insbesondere in der Automobilindustrie – muss Lithiumhydroxid Monohydrat extrem hohe Reinheitsanforderungen erfüllen. Die Qualitätsstandards sind heute vergleichbar mit denen in der Pharmaindustrie. Sowohl das Ausgangsmaterial Lithiumchlorid als auch das daraus hergestellte Lithiumhydroxid Monohydrat müssen frei von störenden Verunreinigungen sein. Besonders kritisch ist der Prozess der Umwandlung von Lithiumchlorid zu Lithiumhydroxid Monohydrat, der über eine elektrochemische Reaktion – die sogenannte Elektrolyse – erfolgt. Dabei ist es entscheidend, dass nur minimale Mengen an Fremdionen im Material enthalten sind, da sonst empfindliche Komponenten der Anlage beschädigt werden können und ersetzt werden müssen. Daher dürfen manche Fremdionen nur in extrem niedriger Konzentration vorkommen – wir sprechen hier von Konzentrationen im Bereich von 50 ppb (parts per billion), also lediglich 0,05 Milligramm Verunreinigung pro Liter. Neben der hohen Reinheit ist auch die Effizienz im Produktionsprozess entscheidend. Ziel ist es, langlebige Materialien zu verwenden, die nicht ständig ausgetauscht werden müssen, um einen wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Betrieb zu gewährleisten.

 

Welche Schritte sind bei der Aufbereitung entscheidend?

Iklima Oral: Ein entscheidender Faktor bei der Aufbereitung ist die Qualität des eingesetzten Sorbenten – in unserem Fall VULSORB®. Je besser dieses Material funktioniert und je präziser wir die Prozessparameter einstellen, desto weniger Verunreinigungen befinden sich am Ende in der gewonnenen Lithiumchlorid-Lösung. Das Ziel ist es, dass möglichst selektiv nur Li-Ionen an den Sorbenten binden, während andere gelöste Ionen aus der Thermalsole ungebunden bleiben. Die Lithiumgewinnung erfolgt dabei in zwei Hauptschritten: Zunächst wird das Lithium aus der Sole in den Sorbenten “interkaliert”. Das bedeutet, dass die Li-Ionen in die Sorbent-Struktur wandern. Im nächsten Schritt werden die Li-Ionen mit Hilfe einer Spüllösung, der sogenannten Strip Solution, aus dem Sorbenten gewaschen. In diesem Prozessschritt entstehen Mischphasen – das bedeutet, dass sich beim Wechsel von Sole zu Strip Solution die beiden Flüssigkeiten vermischen. Wir müssen dann genau den richtigen Zeitpunkt identifizieren, wann die Lithiumchlorid-Lösung am reinsten ist und abgeschöpft werden kann. Dabei helfen uns die Daten aus unseren Laboren, den Pilotanlagen in Insheim sowie aus unserer Optimierungsanlage in Landau. Danach folgen klassische Verfahren: Die Lösung wird aufkonzentriert, Ionenaustauscher entfernen Begleitionen wie Calcium, Magnesium oder Bor. Durch Kristallisation wird vor allem Natriumchlorid abgetrennt. Abschließend erfolgt die Laboranalyse – erst bei erfüllter Qualität geht die Lösung zur Weiterverarbeitung nach Frankfurt.

 

Welche anderen Herausforderungen können bei der Reinheit und Qualitätssicherung von Lithiumhydroxid Monohydrat auftreten, bevor es an die Abnehmer wie z.B. aus der Automobilindustrie weitergegeben wird?

Iklima Oral: Selbst, wenn der Herstellungsprozess ein sehr reines Produkt liefert, stellt sich anschließend die Frage, wie man diese Reinheit über die gesamte Lieferkette hinweg aufrechterhält. Ein entscheidender Punkt ist dabei das verwendete Gebinde – also der Behälter, in dem die Lithiumchlorid-Lösung und Lithiumhydroxid Monohydrat gelagert und transportiert wird. Schon hier kann es zu Verunreinigungen kommen, beispielsweise durch Rückstände im Behälter. Ein zentrales Thema in diesem Zusammenhang ist Wasser. Unsere Analysen basieren auf wasserlöslichen Proben, weshalb das verwendete Wasser extrem rein sein muss. Es wird vor der Nutzung mehrfach durch Osmoseanlagen geleitet, und die elektrische Leitfähigkeit wird kontinuierlich überwacht, um sicherzustellen, dass keinerlei Fremdionen enthalten sind. Ein Beispiel: In einem Versuch haben wir einen 1.000-Liter-IBC-Container befüllt. Anschließend wurde testweise ein einzelnes Körnchen Calcium hinzugegeben – das führte bereits dazu, dass das Produkt nicht mehr den Spezifikationen entsprochen hätte.

 

Viele sehen Lithium einfach als Rohstoff. Was siehst du, wenn du auf das Endprodukt oder den Prozess blickst?

Iklima Oral: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Natürlich sehe ich am Ende auch ein Produkt – ein weißes Salz, das später in Batterien eingesetzt wird. Aus meiner Perspektive als Chemikerin ist es vor allem ein weißes Pulver, das analysiert und geprüft werden muss. Ich denke dabei weniger an das fertige Elektroauto, das später vielleicht an mir vorbeifährt (lacht).

 

Was glaubst du: Welche Rolle spielt deine Arbeit – auch in Bezug auf Klimaschutz oder Mobilität – in der Welt von morgen?

Iklima Oral: Ich denke, dass unsere Arbeit bei Vulcan eine wichtige Vorbildfunktion hat. Die Art der Lithiumgewinnung, wie wir sie umsetzen, ist bislang einzigartig – und vor allem deutlich klimafreundlicher als in vielen anderen Teilen der Welt. Vergleicht man unsere Methode etwa mit der Produktion in Südamerika oder China, ist unser Ansatz ein großer Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit. Gerade in Europa, wo viele große Automobilhersteller ansässig sind, ist es ein echter Meilenstein, einen lokalen und umweltfreundlichen Lithiumproduzenten zu haben. Vulcan geht hier mutig voran – und das von Anfang an. Ich finde es sehr spannend, Teil dieser Entwicklung zu sein. Ich bin seit 2022 bei Vulcan dabei, seitdem ist das Team um das Vierfache angewachsen. Das zeigt, wie dynamisch sich das Unternehmen entwickelt und wie viele neue Aufgaben kontinuierlich dazukommen.

 

Gibt es einen Moment in deiner Arbeit, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Iklima Oral: Ein Meilenstein war die Optimierung der Direkten Lithiumextraktion. Unser Ziel war eine möglichst hohe Ausbeute – im Labor erreichten wir bis zu 98 Prozent. Aber wir haben auch gelernt: Zu viel Extraktion kann die Struktur des Sorbenten beeinträchtigen. Ein gutes Bild ist das Spiel Jenga – wenn man zu viele Bausteine entfernt, fällt das ganze Gerüst in sich zusammen. Diese Erkenntnis war ein Wendepunkt.

 

Gibt es etwas, das du in deiner Freizeit besonders gerne machst – abseits von Lithium und Prozessen?

Iklima Oral: Unter der Woche dreht sich bei mir vieles um Lithium, genau – aber am Wochenende gehört meine Leidenschaft dem Fußball. Ich bin schon seit meiner Kindheit ein großer Fan und drücke besonders Borussia Dortmund die Daumen. Vor Kurzem habe ich sogar eine Kicktipp-Runde bei uns im Unternehmen ins Leben gerufen. Angefangen hat das ganz locker im Labor (lacht) – es war eine tolle Möglichkeit, mit Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch zu kommen und sich auch mal außerhalb der fachlichen Themen auszutauschen. Jetzt möchte ich das Tippspiel auf das ganze Unternehmen ausweiten. Außerdem boxe ich seit meinem 16. Lebensjahr. Kampfsport hat mich schon immer fasziniert – vielleicht auch, weil ich als Jugendliche viele Bruce-Lee-Filme geschaut habe.