Südpfalz 14. Jul 2025

Interview: „Wer Geothermie als potenzielle Rohstoffquelle begreift, denkt einen wichtigen Schritt weiter”

 

Du warst maßgeblich am Aufbau der ersten beiden Geothermiekraftwerke Deutschlands beteiligt – in Neustadt-Glewe und später in Landau. Neustadt-Glewe war damals ein echtes Pionierprojekt und hat den Weg für größere Anlagen wie in Insheim oder Unterhaching bereitet. Wie bist du damals zu diesen Projekten gekommen – und was hat dich an der Geothermie fasziniert?

Dr. Heiner Menzel: Das ist eine spannende Frage. Ursprünglich bin ich Schiffsbetriebsingenieur – also eigentlich fürs Meer gemacht. Aber durch meine Seekrankheit habe ich schnell gemerkt, dass das auf Dauer nichts für mich ist. Zufällig befand sich die Geothermie damals gerade im Aufbau, und ich dachte mir: Meerwasser ist salzhaltig, Thermalwasser auch – das passt doch irgendwie. So habe ich mich beruflich umorientiert und bin in Schwerin in die Geothermie eingestiegen. Das war mein erster Schritt in dieses neue Feld – spannend, herausfordernd und genau das Richtige zur richtigen Zeit. Im Zuge der Wiedervereinigung sollte das ostdeutsche Know-how im Bereich geothermischer Wärmenutzung weiterentwickelt werden. So entstand das Projekt in Neustadt-Glewe, das 1996 in Betrieb ging. 1998 kam die Idee hinzu, auch Strom zu erzeugen – inspiriert durch ein Gespräch mit einem Vertreter von Ormat und durch das damals in Planung befindliche EEG. Daraus entstand zusätzlich zur Erdwärme Neustadt-Glewe GmbH, welche für die Wärmeversorgung von Neustadt-Glewe zuständig war, später die Erdwärme Kraft GbR, wo ich technischer Geschäftsführer war. Diese baute und betrieb die ersten geothermischen Stromerzeugungsanlage in Deutschland, welche 2003 den Betrieb aufnahm.

 

Und dann bist du in die Pfalz gekommen…

Dr. Heiner Menzel: Genau! 2003 kam dann der nächste große Schritt: Ich wurde nach Landau geholt, um dort ein weiteres Geothermieprojekt aufzubauen. Gemeinsam mit den Pfalzwerken und der EnergieSüdwest AG (ESW) gründeten wir die geoX und realisierten das Geothermiekraftwerk in Landau.

 

Seit 2023 bist du Teil der Vulcan-Familie – was war dein bisher größter Erfolg bei dem Karlsruher Unternehmen? 

Dr. Heiner Menzel: Es gibt drei persönliche Highlights. Das größte war für mich der Wechsel zu Vulcan – denn damit wurde eine Vision Realität, die ich schon seit meinen Anfängen in Neustadt-Glewe hatte: Geothermie nicht nur energetisch, sondern auch stofflich zu nutzen. Im Thermalwasser stecken viele wertvolle Stoffe, und Vulcan hat den entscheidenden Schritt gemacht, diese Potenziale zu erschließen. Das war auch der Hauptgrund für meinen Wechsel – und ein echter Meilenstein. Mein zweites Highlight war die Übernahme der Kraftwerke in Landau und Insheim – damit hat sich für mich ein Kreis geschlossen. Und aktuell ist es das Projekt, an dem ich mit großem Engagement arbeite: die Wärmeversorgung von Landau mit Hilfe von Geothermie. Dieses Vorhaben liegt mir besonders am Herzen, weil wir damit nicht nur die Stadt zuverlässig mit klimafreundlicher Wärme versorgen, sondern auch zeigen, wie die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung mit den Ressourcen der eigenen Region gelingen kann. Genau das ist der Weg, den wir als Gesellschaft gehen müssen – lokal, nachhaltig und zukunftsorientiert.

 

Im Kontext der Energiewende wird Geothermie zunehmend als zentrale Technologie betrachtet. Welche Entwicklungen prägen derzeit die Branche – und wo siehst du das größte Potenzial für die Zukunft?

Dr. Heiner Menzel: Die größte Herausforderung in der Geothermie ist nach wie vor die Fündigkeit. Man muss mehrere Kilometer tief bohren, um überhaupt sicher sagen zu können, ob und wie viel nutzbares Thermalwasser vorhanden ist. Das bedeutet: Bevor man überhaupt mit dem Aufbau einer Anlage beginnen kann, muss man 10 bis 15 Millionen Euro investieren – ein anders zu bezifferndes unternehmerisches Risiko als bei Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft. Aber wenn die Quelle einmal erschlossen ist, hat man eine zuverlässige, lokale und grundlastfähige Energiequelle – die einen unabhängig von Tageszeit und Jahreszeit macht. Das unterscheidet Geothermie fundamental von anderen erneuerbaren Energien. In den letzten Jahren hat ein Umdenken stattgefunden, vor allem durch die Energiekrise infolge des Ukrainekrieges. Geothermie bietet stabile, kalkulierbare Wärmepreise – im Gegensatz zu Gas, dessen Preisentwicklung kaum planbar ist. Auch die stoffliche Nutzung des Thermalwassers gewinnt zunehmend an Bedeutung. Neben Lithium rücken dabei auch Elemente wie Strontium und Magnesium in den Fokus, die – je nach geologischer Beschaffenheit – in teils höheren Konzentrationen im Thermalwasser nachgewiesen wurden. Ihre Nutzung gilt als technisch machbar, und erste Pilotprojekte sind bereits gestartet. Zwar steckt die wirtschaftliche Aufbereitung noch in den Anfängen, doch genau hier eröffnen sich neue Perspektiven: Denn wer Geothermie nicht nur als Energiequelle, sondern auch als potenzielle Rohstoffquelle begreift, denkt einen wichtigen Schritt weiter.

 

Geothermie gilt als umweltfreundliche und zuverlässige Energiequelle. Dennoch verlaufen manche Projekte langsamer als erwartet oder erfordern besonders intensive Begleitung. Woran liegt das aus deiner Sicht?

Dr. Heiner Menzel: Geothermie wird weltweit in über 40 Ländern erfolgreich genutzt – sowohl zur Strom- als auch zur Wärmeerzeugung. Das verdeutlicht das große Potenzial dieser natürlichen Ressource. Auch in Deutschland gibt es ein wachsendes Interesse. Gleichzeitig ist Geothermie eine Technologie, die im Alltag kaum sichtbar ist – sie arbeitet im Untergrund. Das unterscheidet sie beispielsweise von Wind- oder Solaranlagen, die wir direkt wahrnehmen. Gerade weil Geothermie nicht unmittelbar erlebbar ist, entstehen manchmal viele Fragen: Wie funktioniert die Technik? Was geschieht unter der Erde? Solche Themen bieten eine gute Gelegenheit, sachlich zu informieren und Zusammenhänge verständlich zu machen. In Regionen wie dem Oberrheingraben ist die geologische Aktivität seit Millionen Jahren ein natürlicher Teil der Erdgeschichte – und mit modernen Verfahren lässt sich diese Energiequelle heute gezielt und verantwortungsvoll nutzen. Entscheidend ist es, offen und transparent zu kommunizieren. Je besser Menschen verstehen, wie Geothermie funktioniert und welchen Beitrag sie zur nachhaltigen Energieversorgung leisten kann, desto mehr entsteht Vertrauen – und damit auch die Bereitschaft, solche Projekte gemeinsam voranzubringen.

 

Was ist aus deiner Sicht besonders wichtig, um die Akzeptanz für Geothermie zu fördern – insbesondere in den Kommunen vor Ort?

Dr. Heiner Menzel: Transparenz und ein offener Dialog sind entscheidend. Es geht darum, die Technologie greifbar zu machen und den Menschen vor Ort zu zeigen, wie verantwortungsvoll und vorausschauend gearbeitet wird. Dabei spielt die kontinuierliche Überwachung aller relevanten geologischen und technischen Prozesse eine zentrale Rolle. Moderne Systeme ermöglichen es uns, jederzeit präzise Einblicke zu gewinnen und die Anlagen entsprechend fein zu steuern. Ein besonders wirkungsvoller Weg, um Interesse zu wecken und Vertrauen zu stärken, sind Besuche direkt vor Ort – etwa in Geothermieanlagen. Gerade für Schulen, Vereine oder interessierte Bürgergruppen bieten solche Einblicke einen sehr guten Zugang: Man sieht, wie die Technik funktioniert, lernt die Menschen hinter den Projekten kennen und versteht den Nutzen für die Region. Auf kommunaler Ebene geht es vor allem darum, frühzeitig einzubinden und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. Je stärker die Menschen in Prozesse einbezogen werden, desto größer ist auch die Bereitschaft, diesen zukunftsgerichteten Weg mitzugehen.

 

Gibt es ein Erlebnis in deiner Laufbahn, das dich besonders geprägt oder inspiriert hat? 

Dr. Heiner Menzel: Definitiv der Wechsel von Norddeutschland nach Landau und der damit verbundene Aufbau der geoX – das war ein entscheidender Wendepunkt. Mit diesem Schritt habe ich nicht nur beruflich Neuland betreten, sondern auch den Grundstein für mein weiteres Berufsleben gelegt.

 

Was machst du, wenn du nicht gerade an der Energie- und Rohstoffversorgung der Zukunft arbeitest? 

Dr. Heiner Menzel: In meiner Freizeit gehe ich gerne wandern und ins Fitnessstudio. Besonders gern bin ich in der Natur unterwegs – zum Beispiel in Bad Herrenalb, wo ich wohne, oder im Allgäu. Und natürlich zieht es mich auch immer wieder ans Meer – das liegt wohl an meiner früheren Zeit in der Seefahrt.

 

Herzlichen Dank für die spannenden Einblicke und die Offenheit mit der du deine persönlichen Erfahrungen, insbesondere bei den Pilot-Projekten in Neustadt-Glewe und Landau, mit uns geteilt hast! 

Das Interview wurde geführt von: Patrizia Bär – Public Affairs I Regionalmanagement